Für jeden nur halbwegs informierten Marketing-Verantwortlichen dürfte es wenig überraschend sein: 72 Prozent aller B2B-Beschaffungsprozesse beginnen heute auf Google.¹ Das hat weitreichende Konsequenzen. Denn dem Einstieg über eine Suchmaschine folgt eine „autonome“ Informationsreise, auf der potenzielle Kunden bereits fast 60 Prozent ihres Entscheidungsprozesses abschließen, bevor sie einen Anbieter direkt kontaktieren.² Ob ein Anbieter am Ende einer solchen Customer Journey auf der Shortlist von Interessenten landet, sollten Marketing-Abteilungen nicht dem Zufall überlassen.

Die zentrale Aufgabe angesichts autonomer Kunden lautet: Wie kann ich mich in jeder einzelnen Phase des Beschaffungsprozesses als relevanter Wissensträger ins Spiel bringen, noch (lange) bevor der Kunde mich kontaktiert?

Phasen des Beschaffungsprozesses

Um diese Frage zu beantworten, sind zunächst die Phasen zu definieren, die ein potenzieller Kunde während seiner Customer Journey durchläuft. Diese Phasen sind für jede Kundengruppe und jeden Beschaffungsfall unterschiedlich. Maximal besteht ein Beschaffungsprozess aus fünf Phasen:

  • Phase 1 – Thema: In dieser Phase beschäftigt sich ein potenzieller Kunde mit einem übergeordneten Thema, zum Beispiel „Industrie 4.0“. Anlässe können beispielsweise persönliches Interesse, öffentliche Diskurse oder ein Arbeitsauftrag sein. Zur Orientierung konzentriert er seine Recherche auf Fachartikel, Blog-Posts, Experteninterviews
    oder White Papers.
  • Phase 2 – Bedarf: Aus der Beschäftigung mit den Informationen aus Phase 1 erkennt der potenzielle Kunde, dass dieses Thema eine Relevanz und ein Potenzial für sein Unternehmen bzw. seinen Aufgabenbereich haben könnte.
  • Phase 3 – Lösung: In diesem Schritt sucht der Kunde nach bereits erfolgreich umgesetzten Lösungen. Bevorzugte Quellen seiner Recherche sind dafür Case Studies, RoI-Betrachtungen etc.
  • Phase 4 – Anbieter: Vorausgesetzt, der potenzielle Kunde hat grundsätzlich passende Lösungen für seinen spezifischen Bedarf gefunden, macht er sich auf die Suche nach Anbietern.
  • Phase 5 – Produkt: Und zu guter Letzt steht die Frage an, welche Produkte der recherchierten Hersteller den spezifischen Bedarf des potenziellen Kunden am besten decken.

Soweit die „Theorie“. Allerdings durchläuft nicht jeder Käufer alle Phasen. Und je nach Unternehmen oder Kaufvorhaben sind andere oder gar mehrere Entscheidungsträger am Entscheidungsprozess beteiligt.

Zielgruppendefinition

Daher ist im nächsten Schritt zu klären, wie verschiedene Zielgruppen typischerweise bei der Beschaffung bestimmter Produkte vorgehen. Das ist abhängig von mehreren Dimensionen:

  • Handelt es sich um Erstkäufe oder Wiederholungskäufe?
  • Wie groß ist das produktbezogene Beschaffungsrisiko für den Kunden (z. B. aufgrund von Innovation, Preis, Funktionalität, Fehleranfälligkeit)?
  • Wie groß ist das systembezogene Risiko für den Kunden (z. B. aufgrund von Abhängigkeit, Serviceleistungen, Liefertreue, Personalressourcen)?
  • Wie sind die Beschaffungsprozesse für bestimmte Produkte in den Kundenunternehmen formal gestaltet?
  • Welche Entscheidungsträger sind in den Buying Centers der Kunden involviert?
  • Welche Kriterien sind den Kundenunternehmen für ihre Lieferantenbewertungen wichtig?

Abhängig von den Antworten kann abgeleitet werden, welche Phasen der Kunde mutmaßlich durchlaufen wird und welche Entscheidungsträger beteiligt sind.

Schritt für Schritt zur Customer Journey

Sind die relevanten Phasen und Kaufbeteiligten beim Kunden ermittelt, geht es an die Konzeption der Inhalte für eine zielgerichtete Kommunikation. Entscheidend hierfür sind die unterschiedlichen Fragen, welche die Entscheidungsträger beim Kunden in den einzelnen Phasen ihres Beschaffungsprozesses haben. Auf diese Fragen muss der Anbieter in seiner Kommunikation Antworten bereitstellen.

Damit entsteht Schritt für Schritt eine Customer-Journey-Map, auf der für die einzelnen Phasen die relevanten Inhalte für die unterschiedlichen Zielgruppen aufgetragen sind. Über eine Gap-Analyse zwischen Soll- und Ist-Inhalten kann dann sehr einfach ermittelt werden, wo die wichtigsten inhaltlichen Defizite in der Kommunikation des Anbieters liegen. Diese Gaps werden anschließend in eine Content-Planung überführt.

In welche Medien und Formate der Anbieter die Antworten dann übersetzt bzw. über welche Kanäle er sie transportiert, ist abhängig vom Informations- und Kommunikationsverhalten der jeweiligen Entscheidungsträger bei den potenziellen Kunden. Diese Medien-Konzeption ist der letzte Schritt, um dem „autonomen“ Kunden bei seiner Reise auf die Spur zu kommen.

Quellen:
¹ Pardot State of Demand Generation Study
² The Corporate Executive Board Company