In der Technischen Redaktion sind standardisierte Terminologie und konsistente Sprache unerlässlich für die Qualität und Effizienz unserer Arbeit. Lösungen und Tools, die uns die Terminologie-Arbeit erleichtern, sind natürlich immer willkommen. In einem kleinen Pilotprojekt haben meine Kollegin Lara Grimminger und ich kürzlich getestet, ob künstliche Intelligenz (KI) uns hierbei maßgeblich unterstützen kann. Die Ergebnisse können sich sehen lassen.
Warum ist konsistente Terminologie so wichtig?
Konsistente Terminologie ist ein entscheidender Qualitätsfaktor insbesondere für technische Informationsprodukte wie zum Beispiel Betriebsanleitungen. Wenn Begriffe nicht definiert, konsistent und harmonisiert sind, entstehen zahlreiche Probleme:
- Falsche Verwendung von Begriffen: Unterschiedliche Bezeichnungen etwa für dasselbe Bauteil können zu Missverständnissen und Fehlern führen.
- Erhöhter Aufwand: Ohne standardisierte Begriffe wird der Abstimmungs- und Übersetzungsaufwand in der Technischen Redaktion erheblich erhöht.
- Negative User Experience: Wenn Benutzer nach Begriffen suchen und nicht finden, was sie brauchen, kann das zu Frustration und letztlich sogar zu einem Imageschaden für das Unternehmen führen.
Der Einsatz von KI zur Terminologie-Erstellung
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, haben wir in einem Pilotprojekt untersucht, wie ein Sprachmodell (in diesem Fall GPT-4) uns bei der Erstellung einer konsistenten Terminologiedatenbank unterstützen kann.
Unser Pilotprojekt im Detail
Wir haben eine unstrukturierte Betriebsanleitung verwendet und ein KI-Tool mit diesem Input „gefüttert“. Anschließend haben wir einen speziellen Prompt formuliert, der das Tool anweist, pro Kapitel alle relevanten technischen Begriffe aufzulisten. Diese Begriffe sollten dann mit einer Beschreibung, Synonymen, der korrekten Schreibweise und, falls der Begriff englisch ist, mit der deutschen Übersetzung ergänzt werden. Zusätzlich haben wir auch ein Tool ohne künstliche Intelligenz dagegen getestet.
Die Ergebnisse
Die Aufgabe bestand für uns darin, die Resultate zu beurteilen und falls nötig nachzubearbeiten. Die Resultate mit KI-Unterstützung waren überraschend positiv.
- Hohe Nützlichkeit: 80 % der von der KI vorgeschlagenen Begriffe waren nützlich.
- Hohe Relevanz: Nur 20 % der Begriffe waren nicht relevant.
- Geringe manuelle Nacharbeit: Nur ein geringer Teil der Begriffe musste manuell nachbearbeitet werden.
- Qualität der Definitionen: Die von der KI erstellten Begriffsdefinitionen waren meist von hoher Qualität und benötigten nur geringfügige Korrekturen.
Die Ergebnisse mit dem Tool ohne KI waren dem genau entgegengesetzt: Nur 20 % der vorgeschlagenen Begriffe konnten wir als relevant einstufen. Wir mussten daher viel Aufwand in das Bewerten und Aussortieren nicht relevanter Terme investieren – also an der falschen Stelle.
Fazit: Hoher Nutzen durch KI
Unserem Eindruck nach legt das KI-Tool den Fokus eher auf Qualität als auf Quantität, was für Terminologie-Arbeit auch besser ist. Der Einsatz von KI in der Terminologie-Arbeit bietet somit in unseren Augen zahlreiche Vorteile:
- Effizienzsteigerung: Beim Generieren neuer Inhalte oder bei der Überarbeitung bestehender Dokumente kann die Recherche- und Korrekturzeit erheblich reduziert werden.
- Zeitersparnis: In unserem Test benötigten wir nur einen Bruchteil der üblichen Zeit für die Begriffsbeschreibungen. Da die KI bereits hochwertige Definitionen geliefert hatte, waren nur noch kleine Korrekturen nötig.
- Verbesserte Benutzerfreundlichkeit: Eine KI-erstellte Terminologieliste hilft Nutzern, sich mit den Begriffen vertraut zu machen und die passenden Begriffe bei der Suche zu wählen. Synonyme und verbotene Begriffe können „unsichtbar“ in die Liste integriert werden, um Benutzer zum relevanten Content zu führen.
Insgesamt zeigt unser Pilotprojekt, dass KI-Tools wie ChatGPT eine wertvolle Unterstützung bei der Erstellung und Pflege von Terminologielisten und Glossaren bieten können. Diese Technologie hilft nicht nur, die Qualität und Konsistenz unserer technischen Dokumentationen zu verbessern, sondern spart auch Zeit und reduziert den Arbeitsaufwand für technische Redakteure erheblich.
Blick in die Zukunft
Der Einsatz von KI in der Technischen Redaktion steht noch am Anfang, doch das Potenzial ist jetzt schon enorm. Mit fortschreitender Technologie und wachsender Erfahrung wird KI zu einem unverzichtbaren Werkzeug für Aufgaben wie die Terminologiearbeit.
Wir freuen uns darauf, diese Entwicklungen weiter zu verfolgen und unsere Prozesse kontinuierlich zu optimieren.
Haben Sie ähnliche Aufgabenstellungen? Sprechen Sie uns sehr gern an, damit wir gemeinsam Potenziale identifizieren und nutzen können.
Übrigens: Wenn Sie mehr über Einsatzmöglichkeiten von KI in der Technischen Dokumentation erfahren möchten, möchte ich Ihnen die anderen Artikel dazu hier im Blog ans Herz legen. Meine Kollegin Lara Grimminger gibt einen Einstieg ins Prompt Engineering für die Technische Redaktion und Peter Hinkelmanns beantwortet Fragen über das Thema Datensicherheit mit KI, die ihm häufig gestellt wurden.
21. Juni 2024
Ein wirklich spannender Blogartikel. Hatte GPT-4 nur die Betriebsanleitung als Quelle? Oder konnte sie auf weitere Quellen zugreifen bzw. hatte weiteres „Wissen“? Hat GPT-4 neben der Definition auch die Quelle dieser angegeben bzw. wäre das möglich? Dies wäre aus meiner Sicht ein wichtiger Aspekt zur Überprüfung und Nutzung der Definitionen. In wieweit mussten die Definitionen formal nachgearbeitet werden? Interessieren würde mich auch wie die KI bei zwei unterschiedlichen Definitionen oder Übersetzungen für eine Benennung umgeht. Entschuldigen Sie die vielen Fragen, bei dem spannenden Thema bin ich sehr neugierig noch mehr zu erfahren.
26. Juni 2024
Liebe Frau Lützen, vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Fragen zum Beitrag. Gerne möchte ich Ihre Fragen beantworten. Wir haben GPT-4 eine Betriebsanleitung als Quelle mitgegeben, keine weiteren Daten. Welche Quellen GPT-4 verwendet hat, haben wir im Pilot-Projekt noch nicht wissen wollen. Aber es gibt Möglichkeiten, die Angabe von Quellen über Anpassung der Anfragen ans Modell zu steuern. Es gibt Modelle, die bereits automatisch die Quellen-Angaben mitliefern wie "Copilot" von Microsoft. Natürlich muss jede der gelieferten Definitionen vom Menschen geprüft und bewertet werden. Der manuelle Aufwand der Nachbearbeitung bezieht sich auf die Einhaltung von Regeln, die beim Erstellen von Definitionen eingehalten werden müssen. Diese Regeln können der KI jedoch auch mitgegeben werden, so dass der manuelle Aufwand am Ende noch stärker reduziert wird. Auch ist eine Kombination aus regelbasierter und KI-basierter Lösung möglich. Um noch Ihre letzte Frage zu beantworten, wie die KI mit unterschiedlichen Definitionen umgeht. Am besten wäre es, wenn man Dubletten zu Beginn des Prozesses vermeidet. Sollten dennoch Dubletten in den Ergebnisdaten vorkommen, wird die KI mit hoher Wahrscheinlichkeit, für jeden Term eine unterschiedliche Definition anbieten. Inhaltlich sollten beide Definitionen korrekt sein. Es gibt aber wieder Möglichkeiten mit diesen Fällen umzugehen, um die manuelle Nachbearbeitung zu reduzieren. Z.B. könnten die Anfragen ans Modell angepasst werden, um solche Fälle abzufangen. Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten konnten. Viele Grüße aus Lindau Brigitte Großmann