Mit dem ambitionierten »European Green Deal« hat die Europäische Union (EU) 2019 den Klimaschutz zu einem der wichtigsten Projekte unserer Zeit erklärt. Um den Worten Taten folgen zu lassen, wurden schnell konkrete Maßnahmen benannt, mit denen Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden soll. Zu den Instrumenten, die den Weg zur klimaschonenden und ressourceneffizienten Wirtschaft begleiten, zählt der digitale Produktpass. Obwohl es für dessen Einführung noch keinen festen Termin gibt, lohnt es sich für produzierende Unternehmen, das Projekt frühzeitig anzugehen.

Der digitale Produktpass ist ein Datensatz, der sämtliche Daten eines Produkts aus allen Phasen des Produktlebenszyklus enthält. Dazu gehören Daten zu Komponenten, Materialien und chemischen Substanzen eines Produkts sowie Informationen zu dessen Reparierbarkeit, Ersatzteilen oder fachgerechter Entsorgung. Alle (umwelt-)relevanten Daten befinden sich damit an einem zentralen Ort. Darüber hinaus liegen die Daten in einem standardisierten Format vor, was allen Akteuren in der Wertschöpfungs- und Lieferkette die Zusammenarbeit erleichtert.[1] Im stationären Handel sowie im E-Commerce ist der digitale Produktpass für Konsumenten in Zukunft eine wichtige Quelle für transparente Produktinformationen und damit eine Entscheidungshilfe.

Neue Perspektiven

Das Konzept digitaler Daten für Produkte ist durch den Einsatz des digitalen Zwillings vielen Industrieunternehmen bereits bekannt. Dieses digitale Abbild einer Anlage oder Maschine spart heute viele Ressourcen in der Entwicklung, bei der Inbetriebnahme und im Betrieb. Ein damit vergleichbarer digitaler Produktpass wird für produzierende Unternehmen neben veränderten Pflichten neue wirtschaftliche Anknüpfungspunkte mit sich bringen. Wenn zukünftig z. B. während der Nutzung ständig Daten über Produkte und Komponenten sowie Feedback zur Qualität verfügbar sind, eröffnet dies neue Perspektiven für kreislauforientierte Geschäftsmodelle und die Verbesserung von Kundenbeziehungen.

Den Anfang macht die Elektrobranche

Zwar fehlt es aktuell noch an detaillierten Informationen und auch ein konkreter Zeitplan liegt noch nicht vor, die Einführung des digitalen Produktpasses ist aber beschlossene Sache und soll zunächst bei besonders ressourcen- und energieintensiven Gütern stattfinden. Laut Bundesumweltministerium ist der Einsatz zunächst für Batterien in Elektrofahrzeugen geplant. Auch die Europäische Batterie-Verordnung, die 2022 verabschiedet werden soll, sieht dies vor, da der Lebenszyklus von Batterien entscheidend für die Umweltfreundlichkeit der Elektromobilität sei.[2]

Von der Politik werden aktuell die gesetzlichen und normativen Rahmenbedingungen für eine klimaschonende Wirtschaft angepasst. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Einführung des digitalen Produktpasses zeitnah für ähnliche Produkte beschlossen wird.

Vorbereitung auf den digitalen Produktpass

Auch wenn beim Thema »Digitaler Produktpass« noch vieles – wie z. B. das Format – offen ist, können Unternehmen heute schon beginnen, sich auf die kommenden Anforderungen vorzubereiten. Zwei Aufgabenfelder ergeben sich unmittelbar:

  • Informationen müssen in digitaler Form bereitgestellt werden
  • Informationen müssen produktspezifisch gültig sein

Eine Anwenderin, die beispielsweise wissen möchte, wie ihr Smartphone später entsorgt bzw. recycelt wird, muss aus dem digitalen Produktpass exakt die für ihr Modell relevanten Informationen erhalten, nicht nur Informationen die Produktfamilie o. Ä. betreffend.

Im Prinzip sind die Anforderungen, die der neue Produktpass mit sich bringen wird, nicht neu. Im Zuge der Digitalisierung werden Bereitstellungsformen sowie die genutzten Medien und Kanäle immer vielfältiger. Damit nimmt auch die Notwendigkeit flexibel nutzbarer Daten zu. Medienneutrale Datenhaltung ist eine Antwort auf die Anforderungen unserer digitalen Welt. In dieser Form spielt es keine Rolle, ob Informationen linear in einem PDF, responsiv im Browser, in Augmented-Reality-Anwendungen oder eben im digitalen Produktpass zum Einsatz kommen.

Ganz konkret bedeutet die Einführung des digitalen Produktpasses die Auseinandersetzung mit folgenden Fragen:

  • Produktlabeling/Produktidentifikation: Woran erkennt der Kunde die ID seines Produkts zum Aufrufen des digitalen Produktpasses?
  • Konfigurationsmanagement: Wie kann herstellerseitig sichergestellt werden, dass die Produkt-ID mit dem konkreten Produkt und dessen spezifischen Konfigurationen verbunden ist?
  • Ist bekannt, für welche Produkte/Konfigurationen die Produktinformationen gültig sind?
  • Sind die Produktinformationen spezifisch genug für die Anforderungen des digitalen Produktpasses?
  • Liegen die Produktinformationen schon in medienneutraler Form vor?

Wegbereiter für die digitale Anleitung

Wenn Unternehmen umfassende Informationen für den digitalen Produktpass bereitstellen müssen, können diese auch gleich für digitale Nutzungsinformationen verwendet werden. Durch die digitale Bereitstellung von Anleitungen lassen sich nicht nur weitere Ressourcen und Kosten (z. B. Druck- und Logistikkosten) sparen, sondern auch die Messbarkeit des Anwenderverhaltens und damit die Qualität der Nutzungsinformationen verbessern.

Noch sind für einige Produkte die rechtlichen Hürden zu hoch, um Anleitungen ausschließlich in digitaler Form bereitzustellen. Besonders im Consumer-Bereich, z. B. bei Haushaltsgeräten und handgeführten Maschinen, betrachtet die Normung die Papieranleitung noch als sicherstes Medium und fordert diese Form ein. Die Anforderungen der digitalen Welt schlagen sich jedoch immer stärker in Normen und Richtlinien nieder. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich hier in der Zukunft einiges bewegen wird, auf das sich Unternehmen heute schon aktiv vorbereiten können, z. B. indem sie Medienkonzepte für digitale Anleitungen erstellen.

Medienkonzepte für digitale Anleitungen

Das Erstellen von Medienkonzepten für digitale Anleitungen zählt zu den Vorbereitungen, mit denen Unternehmen sich heute schon Wettbewerbsvorteile durch Digitalisierung erarbeiten können. Auf der Grundlage von Risikobeurteilungen und unter Berücksichtigung der aktuellen rechtlichen und normativen Anforderungen lässt sich definieren, welche Medien für welche Inhalte und welche Zielgruppen eingesetzt werden.

Um aus den möglichen die geeigneten Medien auszuwählen, bieten sich z. B. folgende Fragen zur Entscheidungsfindung an:

  • Welche Möglichkeiten bietet das Produkt selbst (z. B. Produkt mit Bedienpanel)?
  • Welche Umgebungsbedingungen herrschen (z. B. Nässe, Beleuchtung, Verschmutzung)?
  • Auf welchem Weg können die Informationen bereitgestellt werden (z. B. über QR-Codes)?
  • Wie können die Zielgruppen auf Informationen zugreifen (z. B. Smartphone oder mobiles Netz vorhanden)?
  • Welche Vor- und Nachteile haben die Medien per se?

Mehr erfahren Sie auf unserer Themenseite Digitalisierung der Technischen Dokumentation.

Vorbereitung auf den digitalen Produktpass: Aufgabencheck für die Technische Redaktion

Soll eingeschätzt werden, welche konkreten Aufgaben für den digitalen Produktpass noch zu erledigen sind, ist die Technische Redaktion gefragt.

  • Welche Tools und Systeme sind aktuell im Einsatz?
  • Welche Prozesse und Arbeitsweisen gibt es?
  • Wie sehen die Ergebnisse aus?

Anhand einer Analyse und Bewertung der heutigen redaktionellen Situation lassen sich die Gaps zum Sollzustand (digitaler Produktpass) feststellen und die offenen Aufgaben definieren.

Quellen

[1]  www.bmu.de/faqs/umweltpolitische-digitalagenda-digitaler-produktpass/ (12.07.2021).

[2] www.bmu.de/pressemitteilung/umweltfreundliche-digitalisierung-bundesumweltministerium-treibt-entwicklung-des-digitalen-produktp/ (12.07.21).