Technische Dokumentation und Marketing

Da braut sich was zusammen

Die Technische Dokumentation ist wichtiger Bestandteil eines Produkts und damit ein elementarer Bestandteil des Produktentstehungsprozesses (PEP). Kundenkommunikation hingegen ist Teil des Marketingprozesses. Sie erarbeitet Ursache- Wirkungs-Beziehungen, entwickelt Kernbotschaften, Sortiments- und Produktmerkmale und inszeniert diese wirkungsvoll. Doch wie klar trennbar bleiben Marketing und Technische Dokumentation? Gehören sie heute nicht vielleicht längst zusammen? Antworten darauf bietet dieser Artikel.

Klare Trennung zwischen Dokumentation und Marketing
Die (bisherige) häufig klare Trennung hat definitiv ihre Berechtigung. Die Anwenderdokumentation sollte keine Aufgaben der Marketingkommunikation übernehmen und Marketing nicht Anwenderdokumentation machen. Das führt entweder zu einer schlechten Dokumentation oder zu einer schlechten Marketingkommunikation: Die Technische Dokumentation würde an den Anwender herantragen, über welch einmalige und erstrebenswerte Komponenten ein Produkt verfügt, das er bereits erworben hat. Das Marketing wiederum würde dem Kunden vermitteln, wie er ein Produkt konkret anwendet. Das könnte sich der Kunde jedoch gar nicht vorstellen, weil ihm das besagte Produkt noch nicht zur Verfügung steht.

Die Querverwertung von technischen Daten, Merkmalen und Grafiken zwischen dem Produktentstehungs- und Marketingprozess ist in den meisten Unternehmen mittlerweile etabliert.

Insbesondere komplexe Organisationen haben den Wert durchgängiger, abteilungsübergreifender Prozesse für sich erkannt und arbeiten daran. Diese Prozesse haben das Ziel, einmal Erstelltes wieder zu nutzen und in den entsprechenden Wertschöpfungsschritten nur noch zu veredeln und für den jeweiligen Zweck nutzbar zu machen.

Es geht auch anders: car2go
In den letzten Jahren ist ein Trend zu Innovationen zu beobachten, bei denen Online-Anwendungen, Service und Produkt zu einem neuen Ganzen verschmelzen. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist das Angebot der Carsharing-Plattform car2go.

car2go verbindet und vereint seit 2012 die Welten von Preund Aftersales. Die Plattform ist so innovativ, dass potenzielle Neukunden noch kein Erfahrungswissen haben. Damit lässt sich der Nutzen nicht nur aus einem inszenierten Nutzenversprechen herleiten, sondern primär aus konkreten Informationen über das Anwendererleben in der Nutzung.

Welche Vorteile bietet Carsharing dem Kunden und warum sollte er sich für das Konzept entscheiden? Eine Antwort auf diese Frage lässt sich mangels Vorwissen der Zielgruppen nicht ohne beschreibende und anleitende Informationen vermitteln. Der Kunde benötigt ein konkretes Bild über sein zukünftiges Anwendererleben.

Anwender stellen beim Carsharing die unterschiedlichsten Fragen, die sich sowohl dem Pre- als auch dem Aftersales-Bereich zuordnen lassen:

  • Was ist car2go?
  • Wie viel kostet car2go?
  • Wie miete ich ein Fahrzeug über car2go?
  • Wie fahre ich das Fahrzeug?
  • Wo und wie parke ich das Fahrzeug?
  • Wie tanke ich das Fahrzeug?
  • Wie melde ich mich an?
  • Wo steht das nächste Fahrzeug?

Bei Carsharing handelt es sich aus Anwendersicht um einen sehr komplexen Vorgang, da ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells der Self-Service des Kunden ist. Die Plattform www.car2go.com beantwortet die Fragen der Kunden – in einem modernen Design mit bestechender Einfachheit und Klarheit.

Die Frage „Wie fahre ich das Fahrzeug?“ ist besonders interessant im Hinblick auf die Umsetzung von Tiefgang und Schnittstellen zur Technischen Dokumentation. Zuerst findet der Kunde auf der Homepage eine kurze, zentrale Nutzenbeschreibung des Fahrzeugs (in diesem Fall eines Smarts). Darauf folgend wird der Anwendungsprozess sequenziell abgearbeitet (s. Bild 1 in der Präsentation).

Beim Öffnen wird ausschließlich der neue Mechanismus zum Öffnen des Fahrzeugs mit der „Membercard“ beschrieben, im Gegensatz zum normalen Schloss eines Privatfahrzeugs. Auch beim Starten werden ausschließlich fahrzeugspezifische Besonderheiten dargestellt. Ein Vorwissen des Anwenders wird nicht vorausgesetzt. Einfache, animierte Schritte und die klare Bildsprache tragen zur Verständlichkeit bei.

Dies trifft ebenfalls auf den Tankvorgang zu. Eine kurze Beschreibung der Besonderheiten genügt – alles ist nutzenorientiert gestaltet und das Leistungsversprechen „einfach“ auf sämtlichen Ebenen erlebbar (s. Bild 2 der Präsentation).

Verschmelzung von Technischer Dokumentation und Marketing
Auch im industriellen Umfeld gibt es eine Vielzahl von Innovationen, bei denen kein nutzbares Vorwissen vorausgesetzt werden kann. Insbesondere bei smarten Anwendungen mit einer automatisierten Integration von Menschen, Anwendungen und Produkten mittels vielfältig eingesetzter und vernetzter Sensoren und Aktoren treten immer häufiger solche Situationen auf. Hierbei wird bereits im Presales das Anwendererleben beschrieben und durch konkrete, handlungsanleitende Informationen die gewünschte Wahrnehmung beim Kunden erreicht.

Ein Stolperstein in vielen Unternehmen ist die klare Trennung der Marketing- und Aftersales-Welten aufgrund von internen Strukturen und Informationsprozessen. Bereits heute lassen sich zusätzlich zu bestehenden Informationskanälen einfach und schlank Microsites oder Apps erstellen. Bestehende Quellen befüllen sie und Informationen aus beiden Welten können am gewünschten Kundenerleben ausgerichtet, publiziert und verteilt werden.

Smarte Lösungen benötigen smarte Kommunikation
„Ja, bei uns ist alles viel zu komplex für solch einfache Lösungen.“ ist oftmals ein (gültiger) Einwand. Dennoch gibt es auch bei car2go zusätzliche Informationen, wie beispielsweise die Betriebsanleitungen im Fahrzeug. Eine zunehmende Anzahl von Kunden und Anwendern wünscht sich das private Informations- und Kommunikationserleben ebenfalls im beruflichen Umfeld. Und damit ist es keine Frage, ob, sondern nur, wann solche übergeordneten Applikationen auch im B2B zum Standard werden.

Smarte Lösungen benötigen smarte Kommunikation, die vor klassischen Barrieren zwischen Pre- und Aftersales nicht Halt macht.