Die digitale Transformation stellt Firmen vor besondere Herausforderungen. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die auf Märkten agieren, die sich sehr von den hiesigen unterscheiden. Ein Beispiel ist China, das über seinen eigenen Internet-Mikrokosmos verfügt. Dort beherrscht beispielsweise der seit 2014 an der New Yorker Börse notierte chinesische Online-Händler Alibaba anstelle westlicher Giganten wie Amazon und eBay den Markt. Marketingstratege Tim Schlick gab beim „INKA“-Forum 2016 im Rahmen des Key Themes „Von lokal bis global“ Einblicke in das digitale China. Im Nachhinein beantwortet er im TANNER-Blog noch zwei Fragen, die während der Podiumsdiskussion nicht mehr besprochen werden konnten.

„Ernstzunehmende und gesunde Konkurrenz zu Facebook, Google und Co.“

Herr Schlick, wie sehen Sie die Rolle von Alibaba in der westlichen Welt?

Alibaba ist nicht nur einer der wichtigsten digitalen Player in China, sondern sicher auch weltweit – wenngleich der Fokus derzeit noch auf China liegt. Ich bin mir aber sicher, dass gerade große Player wie die Alibaba-Gruppe oder Tencent genau wie andere chinesische Unternehmen (z. B. Huawei) wenigstens mittel- bis langfristig versuchen werden, auch internationale Märkte zu erschließen. Dabei wird vor allem deren Erfahrung in Sachen Logistik und Transaktionsvolumen sicher kein Nachteil sein. Langfristig sehe ich Alibaba und andere große digitale Unternehmen als ernstzunehmende und gesunde Konkurrenz zu Facebook, Google und Co.

„China neigt zu zwei Extremen, die etwas paradox sind.“

Informationen über Kunden zu Besonderheiten in puncto Bedarfe und Konsumverhalten sind immens wertvoll. Wie tolerant ist der Kunde (Business und Consumer), was seine persönlichen Daten angeht nach Ihrer Einschätzung? Wo sehen Sie in China und hierzulande eine Schmerzgrenze, die Unternehmen in Zukunft nicht überschreiten dürfen?

Ich denke, dass die Bereitschaft von Kunden und Konsumenten, ihre Daten preiszugeben, grundsätzlich nach zwei Gesichtspunkten einer individuellen Nutzenrechnung erfolgt:

  1. Quid pro quo. Wieviel bekomme ich für welchen Offenbarungsgrad zurück? Habe ich einen konkreten Nutzen, wenn ich mehr Daten angebe als nötig? Wenn ich McKinsey wissen lasse, dass ich mich für bestimmte Branchen interessiere, steigt die Chance, relevante Angebote zu bekommen. Wenn mich ein Onlineshop, bei dem ich zufällig mal etwas bestelle, noch dazu nötigt, mein Geburtsdatum und meine Handynummer anzugeben, steigt nur die Chance, belästigt zu werden.
  2. Bequemlichkeit. Kunden und Verbraucher sind genauso bequem wie wir als Anbieter. Einziger Unterschied: Während wir genau wissen, was wir mit den Kundendaten vorhaben, wissen diese es eben nicht. Das ergibt in Summe eine Vertrauenshürde – sobald diese genommen ist (d. h.: Ich habe genau das bekommen, was ich erwartet habe, wenig negative Überraschungen etc.), sind Kunden meist bereit, mehr über sich preiszugeben.

China ist da grundsätzlich nicht anders, neigt jedoch zu zwei Extremen, die etwas paradox sind: Gerade online wird immens viel betrogen. Chinesische Verbraucher sind vielleicht grundsätzlich etwas vorsichtiger – gleichzeitig sind sie um ein Vielfaches pragmatischer und erwarten, dass auch komplexe Transaktionen mit drei bis vier Klicks abzuwickeln sind. Mein Rat an deutsche Firmen ist, sich an etablierte (und damit vertrauenswürdige) Plattformen zu halten und Transaktionen über diese so einfach wie möglich zu gestalten.

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