Grafische Anleitungen kommen (weitestgehend) ohne Text aus. Die Besonderheiten grafischer Anleitungen wurden im ABZ bereits thematisiert: Die Inhalte sind in aller Regel verständlicher, da sich Produkte und Handlungsschritte visuell darstellen lassen. Durch die Verwendung einer Anleitung für viele Märkte und die geringen Übersetzungskosten können zudem massiv Kosten und Zeit eingespart werden.

Dieser Beitrag möchte über die Möglichkeiten und Grenzen grafischer Anleitungen hinaus den (technischen) Weg der Grafik-Erstellung skizzieren, ausgehend von den Konstruktionsdaten bis zur Ableitung der Grafik im 3D-Tool bzw. 3D-CAD-Tool. Zudem werden die Unterschiede und Besonderheiten von Vektorgrafiken und Pixelgrafiken erläutert.

Vektorgrafiken vs. Pixelgrafiken

Vektorgrafiken basieren auf Linien, daher sind sie frei skalierbar, können aber sehr große Dateien erzeugen. Pixelgrafiken haben den Vorteil der hohen Komprimierung (kleine Dateien), sind aber anfällig für Qualitätsverlust, z. B. durch Neuberechnung bei der PDF-Erstellung.

Die Frage, welches Format für die Verwendung in einer grafischen Anleitung geeigneter ist, lässt sich nicht pauschal beantworten.

Der Anwendungsfall entscheidet. Dazu werden in der Recherchephase Fragen geklärt wie „Wer sind meine Anwender?“, „Sind CAD-Daten vorhanden?“, „Wie realitätsgetreu soll das Produkt dargestellt werden?“

Bevor es losgehen kann: Struktur und Inhalt definieren

Bevor mit den Konstruktionsdaten gearbeitet werden kann, definiert der Redakteur in einer Konzeptionsphase die Struktur und die Inhalte der späteren Anleitung.

Falls aufgrund einer Produkteinführung noch keine Anleitung vorliegt, überlegt sich der Redakteur nun ganz konkret, welche Sichten auf das Produkt benötigt werden, damit der Anwender anhand der späteren Anleitung die Anleitungsschritte versteht. Bereits in dieser Phase kann der Redakteur in einem 3D-Viewer mit den CAD-Daten arbeiten. In diesem Viewer legt der Redakteur die Ansichten für die spätere Anleitung grob fest und speichert diese „Screenshots“ als Datei ab.

Die Erstellung von Grafiken im 3D-CAD-Tool

Der folgende Weg beschreibt den Erstellungsprozess, vor allem für Vektorgrafiken. Pixelgrafiken erstellen die Grafiker mit einem anderen Tool. Auf diesen Prozess wird später noch eingegangen. Der Grafiker lädt zunächst die Konstruktionsdaten des Produktes in das 3D-CAD-Tool.

Der Redakteur liefert ihm das Konzept anhand der zuvor beschriebenen Screenshots oder in Form einer bestehenden Anleitung. Im 3D-CAD-Tool bildet der Grafiker dieses Konzept nach.

Er definiert die Ansichten, legt Linienstärken und Linienarten fest. Vor allem Grafiken komplexer Produkte werden häufig noch explodiert – also in ihre Einzelteile zerlegt – und mit Verortungen versehen.

Erstellung von Pixelgrafiken

Für die Erstellung von Pixelgrafiken lädt der Grafiker die Konstruktionsdaten in ein virtuelles Studio eines 3D-Tools, das innerhalb der Standard-Software von TANNER-Experten entwickelt wurde. Die Umgebung bietet die gleichen Möglichkeiten wie das Studio eines Fotografen – lässt aber viel mehr Flexibilität zu. Per Mausklick sind feinste Detailarbeiten möglich: Die Auswahl der Materialien, die Definition von Oberflächenstrukturen inkl. Spiegelungen und Schatten. Das Ergebnis ist eine realitätsgetreue Grafik des Produktes.

Vorteile bei der Erstellung von Grafiken in 3D-Tools

Beide Varianten der Grafikerstellung bieten einen entscheidenden Vorteil: Änderungen können schnell durchgeführt werden. Beispiel: Für die Anleitung einer Maschine werden 60 Grafiken benötigt. Jede dieser Grafiken wird aus dem 3D-Tool als View abgeleitet.

In dieser „Momentaufnahme“ werden alle Informationen als „lebende Datei“ gespeichert:

  • Eingeblendete Bauteile
  • Positionierung der Bauteile
  • Darstellung von Explosionslinien (geben die Verortung von Bauteilen am Produkt an)
  • Verortung der Bauteile

Zusätzlich können die verorteten Bauteile in eine BOM („bill of material“) eingefügt werden, die als Stückliste funktioniert. Die BOM kann – ausgespielt – als XML-Datei im Datei- oder Redaktionssystem verwaltet werden.

Das ganze Grafik-Projekt wird als Datei gespeichert und ist damit abgeschlossen. Sollten später Bauteile aus entwicklungstechnischen Gründen verändert werden, reicht es, die neuen Daten zu importieren. Die auszutauschenden Bauteile ersetzt das Tool, die Views bleiben dabei erhalten.

Manuelle Nachbearbeitung in 2D-Tool notwendig

Nach heutigem technischen Entwicklungsstand sind die Möglichkeiten der 3D-Tools für manche grafischen Aufgaben noch zu eingeschränkt und somit braucht man – je nach zu erreichender Zielgrafik – noch die Nachbearbeitung in 2D-Tools. Die 2D-Tools übernehmen die Funktion eines Qualitätsprüfers und garantieren eine kongruente Verwendung von Schriften und Linienstärken und die Einhaltung von Normen, z. B. S1000D für CGM-Dateien, die für die Luftfahrtbranche erstellt werden.