Die digitale Welt stellt B2B-Unternehmen im Bereich Industrie und Technik vor vielfältige Herausforderungen, was das Management von Produktdaten betrifft. Im B2B-E-Commerce ist beispielsweise nicht nur die Zahl der relevanten digitalen Kanäle, Plattformen und Online-Marktplätze in den letzten Jahren stark gewachsen, sondern auch deren Relevanz.
In der Folge müssen angelieferte Produktdaten den Vorgaben des jeweiligen Vertriebskanals entsprechen. Erfüllen sie beim digitalen Informationsaustausch geforderte Klassifikationsstandards nicht, werden Produkte bei einigen Online-Anbietern und Händler-Plattformen gar nicht gelistet.
Das gleiche Problem trifft auch Unternehmen, die Produktdaten für digitale Engineering-Prozesse zur Verfügung stellen. Hier wird ebenfalls die Erfüllung branchenspezifischer Standards verlangt, damit Produkte in der Planungssoftware und bei der Erstellung digitaler Zwillinge berücksichtigt werden können.
Im Blogartikel möchte ich das Vorgehen skizzieren, mit dessen Hilfe Unternehmen Produktdaten analysieren und für gewünschte Kanale vorbereiten können. Außerdem gehe ich auf Besonderheiten bei den Klassifikationsstandards ECLASS und ETIM ein.
Bestandsanalyse: Welche Produktdaten sind vorhanden?
Die erste Frage, die bei der Umsetzung der Produktdaten-Vorgaben beantwortet werden muss, lautet natürlich: Welche Daten müssen für welche Art Produkt bereitgestellt werden? Antwort darauf geben in der Regel die jeweilige Plattform sowie der dort geforderte Klassifikationsstandard. Anhand dieser Informationen erfolgt die Analyse und Bewertung der eigenen Produktdaten:
- Welche Daten sind vorhanden?
- Welche Daten fehlen?
- Welche der fehlenden Daten sind leicht zu beschaffen?
- Welche der fehlenden Daten sind schwer zu beschaffen?
- Wie relevant sind die Lücken, die durch fehlende Daten entstehen?
Logistische Informationen wie Maße, Gewicht oder Einheiten bereiten meist keine Schwierigkeiten. Andere Daten, wie zum Beispiel kundenspezifische Preise, die sich nicht in Preislisten widerspiegeln, können hingegen problematisch sein.
Relevanz der fehlenden Informationen
Die Bewertung der Relevanz der jeweils fehlenden Informationen ist daher der nächste wichtige Schritt auf dem Weg in den E-Commerce. Dafür können verschiedene Kriterien herangezogen werden:
- Aspekte des Marktes: Wie ist der Wettbewerb aufgestellt? Nennen Wettbewerber beispielsweise keine konkreten Preise, könnte ebenfalls auf diese Information verzichtet werden. Oder die Entscheidung fällt dahingehend, dies zu nutzen und gerade darum Preise zu kommunizieren.
- Bedürfnisse der Zielgruppen: Kann eine Kaufentscheidung überhaupt getroffen werden, wenn diese Information fehlt?
- Inwieweit erhöht das Fehlen der Information das Risiko für Fehlkäufe (und damit nachfolgende Aufwände sowie Kundenunzufriedenheit)?
- Inwieweit beeinträchtigt das Fehlen der Information die Auffindbarkeit des Angebots (zum Beispiel durch Filterfunktionen des Shops)?
Auch die Kontinuität des Angebots ist ein wichtiger Faktor, wenn Produktinformationen für den E-Commerce zusammengestellt werden. Denn es sollte damit kein Konflikt in bestehenden Kundenbeziehungen provoziert werden. Wurden beispielsweise mit Bestandskunden individuelle Preise oder Rabatte ausgehandelt, könnten diese Kunden durch niedrigere Preise im Onlineshop verärgert werden.
Nach der Bewertung der vorhandenen Informationen und der Relevanz der fehlenden stellt sich logischerweise die Frage: Wie lassen sich die erkannten relevanten Lücken in den Produktinformationen schließen? Konkreter:
- Welcher Person / Abteilung liegen die fehlenden Informationen vor?
- Wie groß ist der Aufwand, fehlende Informationen aus bestehenden Quellen zu extrahieren?
- Welche neuen Systeme könnten etabliert werden, um Informationen standardisiert und nachhaltig aufzubewahren?
Herausforderung Datenaufbereitung
Dies ist nur eine grobe Skizze, die das Vorgehen beim Aufbereiten der Produktdaten für den B2B-E-Commerce beschreibt. Für den Vertrieb oder die Personen, die damit betraut werden, ist diese Aufgabe in der Regel nicht mehr manuell zu bewältigen. Warum?
- Weil es in diesem Bereich normalerweise nicht um zwanzig Produkte geht, sondern oft um mehrere tausend.
- Weil Produktinformationen meist nur für die Marketingkommunikation aufbereitet sind und nicht standardisiert vorliegen.
- Weil Produktinformationen nur in Formaten vorliegen, die digital schwer weiterzuverarbeiten sind (z. B. in Printmedien oder als PDF).
- Weil das Wissen über den Umgang mit Klassifikationsstandards nicht vorhanden ist.
Hinzu kommt, dass die Daten eines Produkts je nach Branche oder Ziel-Kanal unter Umständen unterschiedliche Klassifikationsstandards erfüllen müssen. Die Herausforderung liegt im Detail.
Betrachtet man beispielsweise einen Feuermelder, wird das Problem schnell deutlich. Zwar gehört das Produkt eindeutig in den Bereich Gebäudetechnik, denn hier wird es ja verbaut. In der Planungsphase wird der Feuermelder als digitaler Zwilling ebenfalls benötigt. Und schließlich kann das Produkt auch im Elektrogroßhandel online zum Verkauf angeboten werden. Für jede dieser Branchen müssen die Produktdaten des Feuermelders u. U. eigene Klassifikationsstandards erfüllen.
Herausforderungen der Klassifikationsstandards ECLASS und ETIM
Bei der Aufbereitung von Produktdaten bieten Klassifikationsstandards einerseits Orientierung, andererseits bilden sie den Kern der Herausforderung. Was dabei so anspruchsvoll ist, möchte ich für drei gängige Anwendungsbereiche näher beschreiben.
ETIM – der Standard für den Online-Elektrogroßhandel
Im Online-Elektrogroßhandel gelten für Produktdaten gleichermaßen der Klassifikationsstandard ETIM und das Katalogaustauschformat BMEcat. Die Herausforderung ist offensichtlich: Unternehmen müssen also mindestens zwei Standards beherrschen und liefern können.
Die technischen Daten der Produkte müssen dem Standard ETIM entsprechen. Alle darüber hinaus gelieferten Produktdaten müssen aufgrund der Vorgabe BMEcat sehr viele verschiedene weitere Bereiche abdecken. Dazu gehören typischerweise:
- kaufmännische Informationen (Preise, Preisgruppen, Rabatte, Rabattgruppen etc.)
- logistische Informationen (Lieferzeiten, Lieferkonditionen, Verpackungseinheiten etc.)
- allgemeine Produktdaten (GTIN, Artikelnummer etc.)
- rechtliche Rahmenbedingungen (RoHS erfüllt, REACH, Surcharge etc.)
- Produktzusammenhänge (Zubehör, Produktserien, ist Bestandteil von etc.)
ECLASS und ECLASS AVD – Standards für den digitalen Zwilling
Produktdaten für BIM
Building Information Modeling – kurz: BIM – ist kein einzelner Klassifikationsstandard, sondern eine Methode, die den gesamten digitalen Lebenszyklus von Gebäuden von der Planung an beschreibt. Im Unterschied zum Onlinehandel geht es im Bereich digitaler Planungsprozesse um eine sehr tiefe Ausdifferenzierung technischer Aspekte von Produkten. Denn anhand dieser Produktdaten müssen Funktionsweisen und Wechselwirkungen so beschrieben werden, dass damit funktionsfähige digitale Zwillinge erstellt werden können.
Standardisiert müssen hier also vorliegen:
- technische Daten (vergleichbar mit ETIM)
- geometrische Daten (für die digitale Modellierung)
- dynamische Informationen (Verhalten von Schnittstellen)
Wie bei ETIM verbinden sich auch hier zwei Standards: die Aufbereitungsmethode BIM und der Klassifikationsstandard ECLASS.
Lesetipp: 5 Gründe, weshalb sich Produkthersteller intensiv mit BIM auseinandersetzen sollten
Produktdaten für EPLAN
Bleiben wir im Bereich digitaler Engineering-Prozesse: EPLAN ist eine Softwarelösung für den Maschinen-, Anlagen- und Schaltschrankbau. Sie wird genutzt in den Bereichen Elektrotechnik, Automatisierung und Mechatronik.
Die datengetriebenen Herausforderungen sind bei der Aufbereitung der Informationen für die Software ganz ähnlich gelagert wie im Bereich BIM. Da ebenfalls ECLASS als Klassifikationsstandard für die technischen Daten genutzt wird, können diese in vergleichbarer Form aufbereitet werden. Das geometrische Modell aber muss im EPLAN-Format geliefert werden.
Produktdaten & E-Commerce: Tipps zum Einstieg
Sollen Produktdaten für digitale Prozesse zur Verfügung stehen, müssen sie den jeweiligen Klassifikationsstandards gemäß aufbereitet sein. B2B-Unternehmen stellt das oft vor große Herausforderungen. Insbesondere wenn sie in den E-Commerce einsteigen.
Mein erster Tipp auf dem Weg in den digitalen Handel ist daher einer, der einen nachhaltigen Effekt für den ganzen Prozess haben wird: Legen Sie die Umsetzung dieser Aufgabe in die Hände einer Person, die sich bereits mit dem Thema Produktdaten – und ganz besonders mit den für Ihre Daten geforderten Klassifikationsstandards – auskennt. Mit dem Erfahrungswissen werden grundlegende – und eventuell teure – Fehler bei der Aufbereitung der Produktdaten vermieden.
Mein zweiter Tipp lautet: Priorisieren Sie den Aufwand, den Sie in Ihre Produktdaten stecken, nach deren Relevanz. Dies gibt den Fahrplan vor, der Ihnen hilft, effizient und zügig in den E-Commerce einzusteigen. Das Nachziehen weniger wichtiger Informationen ist immer möglich. Es muss keine Entscheidung zwischen 0 % oder 100 % sein. Besser mit den relevanten 80 % der Produktdaten, die effizient aufbereitet werden können, ins Rennen gehen als gar nicht.
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