Vor etwa zwei Jahren haben wir bei TANNER im Zuge des damaligen Relaunchs unserer Homepage einen unserer Leistungs- bzw. Geschäftsbereiche nonchalant von „Produktkataloge“ in „Technisches Marketing“ umbenannt. Dieser Umbenennung ging intensive Denkarbeit voraus. Denn hinter ihr steckt für uns weit mehr als Verbalkosmetik. Seither bedienen sich immer mehr Unternehmen, Verbände und Hochschulen des Begriffs vom Technischen Marketing. Allerdings mit unterschiedlichem Verständnis. Für mich Grund genug, an dieser Stelle mit einer kritischen Begriffsdiskussion nachzuholen, was wir vielleicht vor zwei Jahren schon öffentlich hätten tun sollen.

Exkurs zum Einstieg: Was wir eher nicht unter Technischem Marketing verstehen

Unserem Verständnis von Technischem Marketing will ich mich zunächst im Ausschlussverfahren nähern. Und zwar anhand von zwei Beispielen.

Beispiel 1: Jobprofil „Technical Marketing Manager“ auf semica.de

Im Februar 2014 hat das Jobportal semica.de, Karrierepartner der Fachzeitschrift „Elektronik Praxis“, unter der Rubrik „Beruf der Woche“ den Technical Marketing Manager unter anderem so vorgestellt:

„Der Technical Marketing Manager legt den Fokus […] auf die technische Komponente. Seine Aufgabe ist es u.a., als Technical Trend Scout zu bewerten, wohin sich Technologien voraussichtlich entwickeln werden. Damit ist auch eine konkrete Beteiligung an der Produkt Definition und Entwicklung verbunden.“

Technisches Marketing wird hier demnach primär als Aufgabe des Innovationsmanagements bei einem Hersteller technischer Produkte verstanden. Als Dienstleister für Technikkommunikation verfolgen wir naturgemäß einen anderen Ansatz.

Beispiel 2: tcworld

Gemeinsam mit der tekom e.V., dem Berufsverband der Technischen Redakteure in Deutschland, veranstaltet die tcworld GmbH alljährlich die „tekom-Jahrestagung“. Hauptsächlicher Gegenstand dieses Fachkongresses sind Themen rund um die Technische Dokumentation. Auch TANNER ist seit Jahrzehnten Mitglied der tekom, da wir in der Technischen Dokumentation sowohl unseren Ursprung als auch nach wie vor einen sehr wichtigen Schwerpunkt haben.

Im Rahmen der tekom-Jahrestagung 2014 rief die tcworld erstmals einen so genannten „FokusTag Technisches Marketing“ ins Leben. Es dürfte keine böswillige Unterstellung sein, dahinter primär den Versuch einer Zielgruppenerweiterung für den Kongress zu vermuten: von den angestammten Erstellern Technischer Dokumentationen „hinüber“ zu den Verantwortlichen für Marketing-Kommunikation.

Was aber verstehen tcworld und tekom unter Technischem Marketing? Aufschlussreich für die Antwort sind die angebotenen Vortragsthemen dieses ersten FokusTages: Diese reichten von „Marketing-Audit“ über „Wasserloch-Strategie®“ bis zu „Leadmanagement“.

Gemeinsam ist ihnen, dass sie allgemeine Themen des Marketings abhandeln. Und ebenso gemeinsam ist ihnen, dass sie keinerlei spezifischen Bezug zur „Technik“ haben.

Zum Wesentlichen: Technisches Marketing als Relevanz-Marketing

Beide genannten Beispiele sind exemplarisch für die Vielfalt von Definitionen des Technischen Marketings, die derzeit den öffentlichen Diskurs bestimmen.

Für uns bei TANNER ist Technisches Marketing weder die Aufgabe von Technologie-Trend-Scouting wie in Beispiel 1, noch ein Sammelbegriff für beliebige, aktuell virulente Marketing-Themen wie in Beispiel 2. Vielmehr sehen wir Technisches Marketing als Kommunikationsdisziplin mit der spezifischen Herausforderung, erklärungsbedürftige Produkte mit relevanten Argumenten wirkungsstark am Markt zu positionieren.

Dazu bedarf es nach unserer Überzeugung Viererlei:

  • eines tiefgehenden technischen Verständnisses
  • des Wissens um marktrelevante Produkteigenschaften
  • der zielgruppengerechten Aufbereitung des erarbeiteten Contents
  • der aufmerksamkeitsstarken Inszenierung in den richtigen Medien

Wie aus dieser Aufzählung deutlich wird, ist Technisches Marketing nach unserem Verständnis keine „Raketenwissenschaft“. Gleichzeitig hat es aber der dafür notwendige Kompetenzmix durchaus in sich.

Relevanz zu erzeugen, setzt Bereitschaft zur Tiefenbohrung voraus

Vor allem die ersten beiden Punkte setzen ein für Kommunikationsdienstleister eher untypisches Know-how voraus – und bedeuten ganz nebenbei extrem fleißigen Arbeitseinsatz. Denn es geht dabei um nicht weniger, als

  • sich das Verständnis der technischen Besonderheiten einer jeden einzelnen Komponente eines Produkts zu erarbeiten,
  • für jede Komponente ein ihr immanentes Nutzenversprechen abzuleiten,
  • und aus der Clusterung der erarbeiteten Nutzenversprechen und den Wechselwirkungen zwischen den Clustern alternative Vorteilsargumente und Kernbotschaften für das gesamte Produkt zu entwerfen.

Ist diese Vorarbeit getan, werden diese alternativen Kernbotschaften an ihrer Marktrelevanz für die definierten Zielgruppen bemessen und priorisiert. Schließlich dienen sie als fundiertes Briefing für die mediale Inszenierung des Produkts.

Stichhaltige Beweisführung für die Positionierung eines Produkts

Für die konzeptionelle Entwicklung der medienspezifischen Inhalte können wir uns nunmehr der erarbeiteten Argumentationslinien bedienen. Diese sind stringent vom einzelnen technischen Datum über dessen Bedeutung im Kontext des Gesamtprodukts bis zur Kernbotschaft für eine relevante Positionierung am Markt herleitbar. Im Umkehrschluss bedeutet das gleichzeitig, dass wir mit diesem Vorgehen zu Kernbotschaften für ein technisches Produkt kommen, die über belegbare Reasons Why wiederum schrittweise bis hinab zum einzelnen technischen Datum glaubwürdig belegbar sind.

Das ist unser Weg zu und unser Verständnis von Relevanz-Marketing für technische Produkte.

In welchen Medien und Formaten welche Geschichten konkret aus diesen Argumentationslinien entwickelt und zielgruppengerecht in der Kommunikation gespielt werden, entscheidet sich nach den Informationsbedürfnissen der Zielgruppen in den jeweiligen Phasen ihres Beschaffungsprozesses.

Damit wären wir bei den viel zitierten „Customer Journeys“. Darauf an dieser Stelle einzugehen würde jedoch den Rahmen dieses Beitrags deutlich sprengen. Für Interessierte sei jedoch nicht verschwiegen, dass wir dazu in der Ausgabe 01/2015 unserer Kundenzeitschrift „Das ABZ“ einen kleinen Artikel veröffentlicht haben.