Der Verkauf von beratungsintensiven, komplexen Produkten über digitale Vertriebswege hat in den letzten Jahren für B2B-Unternehmen ebenso an Relevanz gewonnen wie die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse. Unabhängig von der Unternehmensgröße oder Branche bedarf es eindeutiger und strukturierter Produktdaten, um auf digitalen Marktplätzen und Plattformen sowohl präsent als auch wettbewerbsfähig zu sein. Nach einem branchenübergreifenden Standard wie ECLASS oder ETIM klassifizierte Produktdaten sind die Basis für eine erfolgreiche Partizipation am B2B-E-Commerce und die weiterführende Digitalstrategie des Unternehmens.
Produktdaten – digital, aber nicht nutzbar?
In vielen Unternehmen werden Produktdaten noch in Excel-Tabellen gepflegt, die nach eigenen Kriterien erstellt wurden. Damit sind die Daten zwar digital vorhanden, können aber nicht ohne Weiteres für digitale Vertriebswege genutzt werden. Denn Verkaufsplattformen im B2B-Bereich wie z. B. Amazon Business fordern zunehmend standardisierte Produktdaten.
Das Aufbereiten von Produktdaten nach einem branchenübergreifenden Klassifikationsstandard umfasst zwei grundlegende Aufgaben: das eindeutige Zuordnen von Produkten und Dienstleistungen zu einer Klasse und das Mapping von Produkteigenschaften auf die vom Standard vorgegebenen Produktmerkmale und die dazugehörigen Werte. Zur Wahl stehen dafür in den verschiedenen Klassifikationsstandards mehrere Zehntausend Klassen, Unterklassen und Merkmale. Je mehr Produkte klassifiziert werden sollen und je komplexer diese sind, desto aufwändiger und mühsamer ist das ganze Projekt. Denn mit der Komplexität von Produkten steigt auch die Zahl der möglichen Klassen – und die Entscheidung für eine Klasse ist gleichzeitig die Entscheidung gegen eine andere. Neben dem Alltagsgeschäft ist das Klassifizieren von Produktdaten für viele Unternehmen oft nur schwer selbst beherrschbar, sodass auf die Expertise von Dienstleistern zurückgegriffen wird.
Beispiel: Schon mal eine Tasse klassifiziert?
Um zu verdeutlichen, welche Herausforderungen beim Klassifizieren komplexer oder erklärungsbedürftiger Produkte entstehen können, schauen wir uns die Aufgabe beispielhaft an einem einfachen Produkt an, das jedem bekannt ist. Eine Kaffeetasse soll im Klassifikationsstandard ECLASS klassifiziert und ihre Produkteigenschaften sollen auf die geforderten Merkmale und Merkmalswerte gemappt werden.
Das ist unser Produkt:
Produktbeschreibung:
Die Kult-Kaffeetasse besticht durch ein modernes Design mit farbenfrohen Motiven aus der Tier- und Pflanzenwelt. Sorgt jeden Tag für beste Laune und versüßt jedem Morgenmuffel den Start in den Tag! 350 ml Fassungsvermögen.
Größe: 12,4 x 8,5 x 10,4 cm (L/B/H)
Material: Porzellan
Spülmaschinen- und mikrowellengeeignet
Bauchige Form mit großem Henkel
Farbe: Blau/Grün
Herkunftsland: China
Derzeit gibt es bei ECLASS über 45.000 Produktklassen und 19.000 eindeutig beschriebene Merkmale. Beim Klassifizieren gilt es, in einer hierarchischen Baumstruktur mit 4 Klassifizierungsebenen den richtigen Pfad zu wählen, um dem Produkt die passende Identifikationsnummer zuzuordnen. Die Identifikationsnummer gibt wiederum Produktmerkmale und Wertelisten vor.
Über die Textsuche

Bemüht man die Textsuche, ergeben sich schon mal 16 Klassen, von denen zumindest einige offensichtlich nicht infrage kommen, z. B. Mauerwerk, Bekleidung, Tampons.
Über die Baumstruktur

Erfolgt die Navigation über die Baumstruktur und nicht über die Textsuche, wird es für das Produkt „Kaffeetasse“ nicht unbedingt einfacher. Verschiedene Pfade scheinen möglich: Der Pfad „16 Lebensmittel, Getränk, Tabakware“ führt über „16-16 Kaffee, Kakao, Tee“ thematisch zunächst in eine passende Richtung und auch in der Klasse „41 Marketing“ ist ein Kaffeebecher zu Promotionszwecken zu finden. Verschiedene Tassenarten lassen sich schließlich ausmachen unter der Klasse „50 Möbel, Wohneinrichtung“, die mit „50-13 Kaffee, Tee (Wohnen)“ eine ähnlich klingende Unterklasse enthält wie der erste Pfad (16-16).
In der „Möbel-Klasse“ scheinen wir richtig zu sein und hier gibt es endlich auch eine „Kaffeetasse“. In der Definition zu „50-13-01-01 Kaffeetasse“ ist aber beschrieben, dass die Kaffeetasse üblicherweise auf einer Untertasse steht. Da wir nach obiger Produktbeschreibung eher einen größeren Kaffeebecher zu klassifizieren haben, versuchen wir es besser unter „50-13-01-03 Jumbotasse“. Mit der Definition dieser Klasse haben wir ein Match: „Große Kaffeetasse bestehend aus Porzellan, Steinzeug, Irdenware oder Steingut.“ Leider gibt es nicht in allen Klassen eine Definition, sodass diese Hilfestellung nicht immer zur Verfügung steht.
Tipp für das Klassifizieren
Um die Klasse für ein Produkt festzulegen, ist es hilfreich, zwei bis drei Kriterien/Regeln zu formulieren, an denen man sich bei der Klassifizierung orientiert. Die optimale Klasse zu finden ist aber nicht immer möglich, da die Klassen im Standard teilweise nicht vollständig sind bzw. erst noch weiter spezifiziert werden müssen.
Entscheidungskriterien können sein:
- Effizienz: Kann schnell fachlich richtig klassifiziert werden?
- Qualität: Können die wichtigen Produktmerkmale und USP im Klassifikationsstandard abgebildet werden?
- Effektivität: Stimmen die gewählten Klassen mit denen des Wettbewerbs überein?
Mapping der Produkteigenschaften
Nach der Klassifikation geht es ans Datenmapping. Jede Klasse gibt eine Reihe von Produktmerkmalen vor, durch die das Produkt näher beschrieben wird. Die „schlappen“ 105 vorgegebenen Merkmale bei unserer „Jumbotasse“ vermitteln eine Ahnung davon, wie aufwändig auch diese Aufgabe sein kann. Oft ist es zudem nicht mit dem bloßen Zuordnen der Eigenschaften getan, sondern es wird etwa das Umrechnen von Einheiten oder das Bestimmen der passenden RAL-Farbe notwendig. Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, ob wirklich alle diese Merkmale relevant sind und die Produktdaten dementsprechend aufbereitet werden müssen. Und falls das nicht der Fall ist: Welches sind die relevanten Merkmale?
Beispiele: Fassungsvermögen und Farbe

- ECLASS definiert die „Füllmenge“ als relevantes Merkmal für eine Jumbotasse. Das Merkmal sieht die Angabe standardisiert in Litern vor. Im Kontext des Produkts wirkt dieses Merkmal aber in der Art und Benennung ungewohnt. Die Produkteigenschaft „350 ml Fassungsvermögen“ wird in der Welt von ECLASS zu „0,35 l Füllmenge“.
- Die Farbangabe der Tasse lautet „Blau/Grün“. Diese Information lässt sich gar nicht in die ECLASS-Welt übersetzen, denn hier gibt es nur das Merkmal „Anzahl der Farbangaben“. Was damit aber gemeint ist, lässt sich aus der Definition des Merkmals nicht ableiten.
Produktklassifikation: Das ist das Ziel
Anhand dieses einfachen und jedem vertrauten Produkts wird die Herausforderung beim Klassifizieren und beim Mapping von Produktdaten deutlich. Die manchmal schwer nachvollziehbare Einteilung der Klassen sowie die als relevant erachteten Merkmale und ihre definierten Werte erschweren häufig auch die Aufbereitung von Produktdaten von komplexen, erklärungsbedürftigen Produkten.
Ziel ist es für Hersteller i. d. R., möglichst viele vom Standard geforderte Merkmale mit den realen Produkteigenschaften in Einklang zu bringen, also gleichzeitig möglichst viele Standardmerkmale zu erfüllen und möglichst viele der realen Produktmerkmale zu kommunizieren.
Apropos: Welche Produkteigenschaften kommuniziert werden sollen, kann auch die Wahl der Klasse beeinflussen. Ist ein für den Hersteller relevantes Merkmal in einer passenden Klasse nicht vorgegeben – und damit nicht kommunizierbar –, fällt die Entscheidung u. U. zugunsten einer anderen, weniger passenden Klasse, die dieses Merkmal enthält.
Tipp für das Datenmapping
Sinnvoll ist es, sich im Vorfeld über die Eigenschaften des zu klassifizierenden Produkts und deren Wichtigkeit klar zu werden. Dazu zählen auch eventuelle Informationslücken. Hier stellt sich die Frage: Lohnt es sich, diese Lücken zu schließen oder sind die fehlenden Informationen nicht relevant?
Entscheidungskriterien können sein:
- Effizienz: Gibt es Freitextoptionen für Produktinformationen, die aufwändig gemappt werden müssten?
- Qualität: Können interne Prozesse angepasst werden, um zukünftig die nötigen Informationen zu liefern?
- Effektivität: Kann man sich am Wettbewerb orientieren, um herauszufinden, wo sich größerer Aufwand beim Mappen lohnt?
Auswahl des Klassifikationsstandards
Bei meinem Beispiel, der Klassifizierung einer Kaffeetasse, habe ich mich bewusst für den Klassifikationsstandard ECLASS entschieden. Einerseits, weil dieser im Onlinehandel gängig ist, andererseits, um zu illustrieren, wie schwer es sein kann, selbst ein einfaches Produkt wie eine Tasse zu klassifizieren. Diese Tasse nach ETIM zu klassifizieren, wäre sehr viel einfacher gewesen. Allerdings ist es nicht immer möglich, den Klassifikationsstandard beliebig zu wählen. Vorgaben des Kunden oder spezifische Anforderungen der Online-Plattformen schränken die Wahlmöglichkeiten oft ein.
Business-Intelligence-Technologien steigern die Effizienz
Wie bereits erwähnt, sind klassifizierte Produktdaten die Grundlage für den digitalen Vertrieb im B2B-Handel. Die Daten für mehrere Zehn- oder Hunderttausend Produkte und Produktvarianten von einfach bis komplex aufzubereiten, kann von Produktdaten-Experten mit entsprechender Erfahrung und guter Vorbereitung (z. B. durch strategische Bildung von Produktgruppen) mit hoher Effizienz erledigt werden. Darüber hinaus sind – auch bei TANNER – häufig Business-Intelligence-Technologien für die Datenanalyse im Einsatz. Die Nutzung solcher intelligenter Softwarelösungen erfordert zwar ebenfalls großes Know-how, das Klassifizieren von Produktdaten gestaltet sich damit aber i. d. R. schneller, sicherer und damit effizienter, weil die maschinelle Aufbereitung eine Entscheidungsgrundlage liefert. Gerade bei der Aufbereitung der Daten komplexer, erklärungsbedürftiger Produkte lohnt es sich, auf die Unterstützung von Fachleuten zu setzen und damit die eigenen Ressourcen für das Daily Business freizuhalten.