Beim DOKU-FORUM 2015 informierten Philipp Grüter, NSBIV AG, und Jörg Heide, TANNER AG, gemeinsam zum Thema „CE-konforme Dokumentation“. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des Vortrags. Die einschlägigen Gesetze und Normen beachten, die Betriebsanleitung schreiben und dann das Sicherheitskapitel noch vom Hausanwalt absegnen lassen – fertig ist die rechtssichere Betriebsanleitung. So wünschen sich Entscheider und Verantwortliche in vielen Unternehmen gerne die Erstellung einer Dokumentation.

Doch weit gefehlt: Normen und Gesetze bieten kein Standardvorgehen für die Erstellung von Bedienungs- und Betriebsanleitungen, sondern müssen für das konkrete Produkt und die spezifische Anwendungssituation interpretiert werden. Davon abgesehen ist die Betriebsanleitung nur ein Glied in der Sicherheitskette des CE-Verfahrens. Mängel an anderen Teilen der Kette, z. B. im Zusammenhang mit der Risikobeurteilung, können nicht durch die Betriebsanleitung abgefangen werden.

Ohne CE-konforme Risikobeurteilung keine CE-konforme Betriebsanleitung

Der Hersteller muss die Restrisiken, die er nicht konstruktiv oder mithilfe von Schutzmaßnahmen mindern kann, durch die Benutzer-Instruktion auffangen. Die Restrisiken kann er nur kennen, wenn er eine Risikobeurteilung durchgeführt hat. Ohne Risikobeurteilung ist die Erstellung einer CE-konformen Betriebsanleitung schlichtweg unmöglich.

Eine CE-konform erstellte Risikobeurteilung listet zu jeder Gefährdung die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen konkret auf. Beispiel: Besteht bei Einrichtarbeiten an einem Transportband Einzugs- und Quetschgefahr, muss in der Risikobeurteilung eine konkrete Maßnahme formuliert sein, wie sich der Anwender vor dieser Gefahr schützen kann. Wenn der Technische Redakteur in diesem Fall dann – wie so oft – nur eine lapidare Formulierung findet wie „Gefahrenhinweis in der Betriebsanleitung“, wird er kaum einen sinnvollen Sicherheitshinweis formulieren können. Sinnvoller wäre also hier eine Aussage in der Art von „SiHi in der BA: Wartung am Transportband nur im Stillstand durchführen“.

Handlungssequenzen, Sicherheitshinweise und Warnhinweise

Die Ergebnisse der Risikobeurteilung fließen prinzipiell in drei Informationsarten der Betriebsanleitung ein:

  • Handlungssequenzen
  • Sicherheitshinweise
  • Warnhinweise

Beim Thema „Sicherheit“ denken viele zuerst an Sicherheits- und Warnhinweise. Doch auch Handlungssequenzen sind sicherheitsrelevant: Ein fehlender Handlungsschritt, mangelhafte Text-Bild-Bezüge oder unverständliche Formulierungen können zu Fehlbedienungen führen, die schlimmstenfalls in eine Gefährdungssituation münden.

Sicherheitshinweise und Warnhinweise werden in der Praxis gerne vermischt. Doch muss zwischen beiden hinsichtlich Zielsetzung und Anwendungssituation klar unterschieden werden:

  • Sicherheitshinweise zielen auf eine Schulung des Anwenders: Mit welchen Gefahren muss ich beim Umgang mit diesem Produkt grundsätzlich rechnen?
  • Warnhinweise dagegen warnen vor Gefahren in konkreten Handlungssituationen.

Deshalb werden Sicherheits- und Warnhinweise an unterschiedlichen Stellen in der Anleitung platziert. Es hat sich bewährt, die Sicherheitshinweise mit allen Restrisiken komplett am Anfang der Anleitung oder in einem separaten Sicherheitshandbuch zusammenzufassen. So gebündelte Sicherheitshinweise können auch als Schulungsunterlage verwendet werden. Außerdem lassen sich die Sicherheitshinweise komfortabel mit den Restrisiken abgleichen, die die Risikoanalyse zu Tage gefördert hat.

Bei umfangreichen Anleitungen können spezifische Sicherheitshinweise aus dem Sicherheitskapitel kopiert und zusätzlich an den Anfang handlungsorientierter Kapitel gestellt werden. Beispielsweise werden so alle wartungsrelevanten Sicherheitshinweise am Anfang des Wartungskapitels wiederholt. Warnhinweise hingegen werden wohldosiert in Handlungssequenzen platziert. Und zwar vor Handlungen, bei denen der Anwender nicht mit einer konkreten Gefahr rechnet.

Wie viele Warnhinweise dürfen es denn sein?

Gerade bei der Arbeit an oder in komplexen Anlagen wird der Anwender auf Schritt und Tritt wiederholt mit denselben Gefahren konfrontiert: Rutschgefahr, Stolpergefahr, Sturzgefahr, Verbrennungsgefahr, Stromschlaggefahr… Würde man vor all diesen Gefahren mit Warnhinweisen warnen, wären in der Betriebsanleitung vor lauter Warnhinweisen die eigentlichen Handlungsschritte kaum noch auffindbar. Ein Effekt, der in den USA mit „warning pollution“ bezeichnet wird. Doch für welche Warnhinweise soll sich der Redakteur entscheiden?

Eine gute Orientierung gibt die Maßgabe: „Warne mit einem Warnhinweis nur dann, wenn der Anwender in dieser Situation nicht mit einer Gefahr rechnet oder die Gefahr nicht kennt.“ So wird eine Elektrofachkraft, die von morgens bis abends mit spannungführenden Bauteilen umgeht, nicht vor Stromschlaggefahren beim Öffnen eines Schaltkastens gewarnt werden müssen. Wer sich an dieser Maßgabe orientiert, reduziert die Zahl der Warnhinweise schnell auf ein vernünftiges Maß.

Welche Warnstufe: GEFAHR, WARNUNG oder VORSICHT?

Mittlerweile sind die Warnwörter bei Warnhinweisen – GEFAHR, WARNUNG, VORSICHT – etabliert. In der IEC 82079 und ANSI Z535.6 sind sie wie folgt definiert:

  • Tod oder schwere Verletzung sicher: GEFAHR
  • Tod oder schwere Verletzung möglich: WARNUNG
  • leichte Verletzung möglich: VORSICHT

Schadenshöhe (Art der Verletzung) und Eintrittswahrscheinlichkeit (möglich, sicher) sind auch die entscheidenden Parameter bei der Risikobeurteilung. Im konkreten Einzel-/ Schadensfall ist die Statistik jedoch zweitrangig. Bei der Möglichkeit einer tödlichen Verletzung sollte immer die höchste „Warnstufe“ zur Anwendung kommen. Bei dieser Sichtweise leitet sich die Klassifizierung der Warnhinweise rein aus der Schadenshöhe ab:

  • irreversible Schäden (z. B. Verlust von Gliedmaßen oder Augenlicht): GEFAHR
  • reversible Schäden (z. B. Quetschung oder Prellung mit Arbeitsausfall): WARNUNG
  • leichte Verletzung ohne Arbeitsausfall (z. B. Schneiden in die Fingerkuppe): VORSICHT

Bei diesem Vorgehen werden im Anwenderinteresse mehr Warnhinweise mit der Stufe GEFAHR ausgezeichnet.

Fazit

Eine Garantie für Sicherheit wird es nie geben. Wer aber das geschilderte Zusammenspiel zwischen Risikoanalyse und Betriebsanleitung systematisch mit Leben füllt, wird die Sicherheit seiner Produkte garantiert steigern.